Reiseberichte

Reiseberichte (1)

Was fressen Pferde, wenn sie nicht auf einer Koppel eingezäunt sind?
Diese Frage bewegte mich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts
Und wo gibt es Pferde, die noch als Herde gehalten werden, in freier Natur?
In Island, ja. In USA, in England und auch in den Alpen. Aber wo noch?
Ende der 80er Jahre fiel mir ein Buch über russische Geschichte in die Hände, in dem beschrieben stand, wie Herden, die sich ansonsten ganz natürlich bewegen können, mit berittenen Hirten gehütet werden.
Daraufhin unternahm ich 1987 eine Gestüts-Besichtigungsreise durch die UdSSR. Später kam mir zu Ohren, dass es die Möglichkeit gebe, in der Gegend des - mir nun schon bekannten - Stavropol, im Kaukasus, einen Ritt zu unternehmen. Gleich stand der Entschluss fest, mitzureiten. Es war die Gelegenheit, die Pferde zu beobachten in ihrem Verhalten, in der Herde wie zu den Menschen und zudem festzustellen, was sie fressen, welche Pflanzen sie aufnehmen. So fand ich mich dann im Frühsommer 1989 in einer Gruppe von sieben Deutschen und drei Schweizern wieder, die, etwas aufgeregt, das Abenteuer "Reiten im Kaukasus" erwarteten.

Vom Flughafen ging es weiter nach Pjatigorsk (5-Berge). Dort wurden wir mit großer Aufmerksamkeit empfangen. Und weil wir die ersten Reiter waren, gab es noch keine Erfahrung, erst recht keine Routine aber um so mehr Bemühen, es uns recht zu machen. Die Besichtigung des Gestütes Malo Karachai, von wo aus später der Ritt gestartet wurde, eröffnete das Pferdeprogramm. Dort konnten schon einige Pferde im Paddock ausprobiert werden, nämlich Karachaier mit einem Stockmaß von 1,50 m bis 1,60 m, aufgewachsen in den Höhen um 2000 m. Diese Pferde traten auch bei steinigen Strecken fast nicht auf lose Steine, fanden im sumpfigen Gelände festen Boden. Sie gingen sicher durch Wasserläufe und an Abgründen vorbei, während manche von uns sicherheitshalber lieber die Augen schlossen.

Sie liebten die kleine Klette. Auf dem Ritt, bei einer ersten Pause, steckten die Pferde dann auch sofort den Kopf in das Gras, d. h. zu meinem Erstaunen drängten sie vor allem zu den großen Blättern der kleinen Klette, die and dem Platz reichlich wuchs. Ich wusste zwar, dass Klette ein gutes heilmittel bei bestimmten Hautproblemen ist, aber dass die Pferde das auch so genau wussten... . Nun, offene Satteldruckstellen hatte ich wohl schon beim Sattelaustausch gesehen. 
Weiter ging es, immer noch bergauf. Ich war froh, dass mein Pferd seinen Weg allein ging, denn so konnte ich meine volle Aufmerksamkeit auf die Pflanzenwelt richten, die mich in Erstaunen versetzte; nicht nur wegen der Reichhaltigkeit der Arten, sondern auch wegen der Größe einzelner Blüten im Vergleich zur Alpenflora in gleicher Höhe. Von Zeit zu Zeit wurden wir begleitet von Hirten, die auf den Höhen ihren Dienst taten. Sie sprachen einen Gruß, mal ein paar kurze Worte zu unseren Führer, um dann wieder zu ihren Herden zurückzukehren, die auf den uns umgebenen riesigen Grasflächen des Hochplateaus wie auf weichen, überdicken Teppichen weideten; bis zum Horizont, in unendlicher Weite. Und in der Ferne wurde auch nach und nach erkennbar: die weiße Mütze des Elbus. Im strahlend blauen Firmament ein überwältigender Anblick!


Über 60 Sorten Pflanzen bestimmt!
Aber nun zurück zu den Pflanzen: von allen machte ich Fotos. Insgesamt hatte ich bis zum Ende des Aufenthaltes dort über sechzig verschiedene Blütenpflanzen bestimmt. Und das allein in der direkten Nähe unserer Datscha, auf einer Fläche, nicht viel größer als ein Dressurviereck! Mehr als vierzig weitere Pflanzen fand ich noch während des Rittes und der Ausflüge. Besonders prächtig ins Auge fielen der großblütige Ziest, Alpenaster, Alant, gelbe Lilie, Rittersporn, Eisenhut, Engelwurz, Beinwell, Sonnenwurz, große Bibernelle, hier in der Höhe rosa blühend, Sonnenröschen, Glockblumen, Ehrenpreis, platanenblättriger Hahnenfuß und Nachtviole. Ging es so steil hoch, so dass wir zu Fuß gehen mussten, fand ich Enzian, Primeln, Silberwurz, Mauerpfeffer, Veilchen und eine Braunwurzart, die ich noch nie gesehen hatte.
Auch das Fressverhalten der Pferde erstaunte mich. So kam ich beispielsweise abends an unseren Weideplatz - diesmal wollte ich die Pferde fotografieren - und sah, dass von den ganzen Pflanzen, die dort bei unserer Ankunft blühten, nur noch die Orchideen und weißer Germer zu finden waren, Gras gab es wohl noch genug, aber die Pferde waren trotz ihrer Fußfesseln über den Bach weit den Hang hinauf zu den Blüten geklettert.


Für den Notfall Tierärzte vorhanden
Viel könnte noch berichtet werden, allein von der Freundlichkeit der Bevölkerung. So hatte mir Asret, unser Führer, mit Hilfe des Dolmetschers erklärt, dass sich die Hirten bei Krankheiten meistens selbst zu helfen wissen. Für ernstere Fälle gibt es im Gestüt Tierärzte. Zur Fütterung erhielt ich die Angaben, dass Hafer oder Fertigfutter (Pellets) gegeben werden, dazu Mineralfutter, welches nach der Untersuchung der Tiere gezielt zusammengestellt wird. (dies deckte sich mit der Aussage im Gestüt Budjonny 1987. Damals hieß es noch, man habe die Notwendigkeit von Mineralfutter erkannt, habe aber nicht genug Mittel um alle Gestüte ausreichend zu versorgen). Soweit Asrets Auskünfte.


Die Reise durften wir mit einem Besuch auf dem Gestüt Stavropol beenden, wo der mir noch bekannte Gestütsleiter Alexander Klimek zu meiner Freude die Stutenherde herantreiben ließ. Und plötzlich spürte ich, wie eine der Stuten ihren Kopf auf meine Schultern gelegt hatte und ihren waren Atem aus weit offenen Nüstern an mein Ohr blies........